Arnold Burkhard

 

Geburtsdatum: 24. Juni 1906

Beruf: Maurer, Vorarbeiter

Hobbys: Radsport, Ski- und Ferienhütte, Jassen, Schach

besonderes Merkmal: Zäher Hagel! Geographie-Genie!

 

Als zweiter Sohn (von insgesamt 13 Kindern) eines Käsers (oder Oberschweizers, wie die Preussen damals sagten) wurde er auf einem riesengrossen Feudalherren-Gutsbetrieb (mit eigenem Förster und Wildhüter für die dazugehörenden immensen Wald- und Jagdgebiete) in der Nähe von Breslau in Schlesien (seit 1945 zu Polen gehörend) geboren. Seine Mutter - aus Sachsen stammend - war als Köchin und Melkerin ebenfalls auf diesem Gut tätig. Der Vater (selber als Waisenkind aufgewachsen) gab sich nie mit dem Spatz in der Hand zufrieden und schielte stets nach der Taube auf dem Dach. Wohl deshalb zog er (insgesamt 15 mal) immer wieder an einen anderen Ort. So kam er via Heimatgemeinde (Sumiswald) für zwei Jahre als "fromager" nach Frankreich (Nähe Dijon), wo er vor allem das Weintrinken erlernte. Anschliessend kehrte er wieder in die Schweiz zurück nach Meienreid bei Büren. In Wiler bei Seedorf ging Arnold erstmals zur Schule, später in Bargen und schliesslich sechs Jahre lang in Kallnach. Dort konnte er die letzten drei Jahre - nach bestandenem Examen - die sogenannte erweiterte Oberschule (eine Art Sek.) besuchen, wobei er auch da einer der Besten war.

Während der Vater seine Odyssee mit der Familie fortsetzte, blieb Arnold 7 Jahre lang als Verdingbub bei einem Bauern in Kallnach. Wie die meisten anderen Familienväter musste auch sein Vater im ersten Weltkrieg in den Militärdienst. Weil aber das liebe Vaterland damals für die Familie zu Hause nichts tat, verarmten viele Arbeiterfamilien deswegen. Den Eltern blieb nichts anderes übrig, als ihre Kinder zu "verdingen". Auch Noldi blieb dieses Schicksal nicht erspart und was er bei diesem grobschlächtigen Alkoholiker in Kallnach alles durchmachen musste, darüber könnte er ein Buch im Sinne von Gotthelfs Bauernspiegel schreiben. Immerhin waren da noch zwei Töchter im gleichen Alter, die zu ihm standen, was sein Los erträglicher machte.

Nach der Schule musste er vorerst einmal ein Jahr lang (!) die Konfirmandenkleider abverdienen. Nachher packte er seine Habseligkeiten in ein Japanerkörbchen und zog ins Welschland, nach Courtelary zu einem Bauern. Etwas anderes hatte er ja nie gelernt. Erfahrungen hatte er keine und einen guten Ratschlag durfte er von niemandem erwarten. Freilich hätte er einen Armenvater (eine Art Vormund) gehabt, der eigentlich hiezu verpflichtet gewesen wäre. Das erfuhr Arnold aber erst mit 20 Jahren, als sich der famose Armenvater (ein Lehrer) erstmals bei ihm meldete und ihm gleichzeitig eröffnete, dass nun die Gemeinde nichts mehr zahlen werde, falls er noch einen Beruf erlernen möchte. Er hatte also der Gemeinde das Geld für eine Ausbildung von Arnold eingespart, wobei ihm selber sicher etwas herausgeschaut hatte. Noldi fiel aus allen Wolken. Hätte er doch zu gerne einen Beruf erlernt. Berufswünsche hätte er genug gehabt und an der Intelligenz hätte es auch nicht gefehlt.

Aber jetzt musste er sich anders zu helfen versuchen. Zuerst probierte er das Glück als Hilfsarbeiter auf dem Bausektor, dann als Holzfäller im Staatswald und schliesslich  im Hotelfach (Hausbursche, Portier usw.). Unter anderem war er drei Jahre lang in Montreux auf diesem Beruf tätig und in Interlaken lernte er seine Frau kennen, die er 1931 heiratete. Aber da kam die Krise der Dreissigerjahre! Des hohen Frankenkurses wegen blieben plötzlich die Gäste aus und vorbei war die Chance, als Ungelernter in der Hotellerie einen Arbeitsplatz zu finden. Also probierte man es einmal in der Stadt. Aber Arbeit lag nicht auf der Strasse, auch in Bern nicht. Viele versuchten es damals, als Vertreter den Privatleuten irgend einen Schmarren anzudrehen. Das war jedoch nichts für einen grundanständigen Kerl wie Nöudu. Also versuchte er es wieder auf dem Bausektor. Dort lief das Glücksrad schön abwechslungsweise; einmal gab es Arbeit, einmal musste man stempeln gehen. Dann erklärten die Baumeister plötzlich, der volle Lohn werde nur noch gelernten Maurern mit Ausweis ausbezahlt. Noldi war schon über 30, als er mit büffeln anfing. Es war eine schwere Zeit. Die harte Arbeit, die lange Arbeitszeit, die Familie - in der Zwischenzeit waren drei Kinder (Hansruedi, Käthi und Peter) angerückt - und am Abend noch die Gewerbeschule und die Kurse. Doch auch das schaffte er. Zwar verhinderte der ausbrechende Weltkrieg vorerst den Abschluss der Maurerlehre, aber schliesslich bestand er sie noch mit Erfolg. Jetzt ging es aufwärts mit Noldis Karriere. Stufe um Stufe arbeitete er sich bis zum Vorarbeiter hinauf.

Im April 1962 kam dann das grosse Verhängnis. Durch eine unglückliche Bewegung auf dem Bau war er in wenigen Stunden total gelähmt. Eine Operation am gleichen Tag brachte keine Hilfe. Im Gegenteil, sie verschlimmerte seinen Zustand noch. Dazu gesellte sich eine Lungenentzündung und auf beiden Seiten Embolien. Die Ärzte gaben ihn auf und führten ihn ins berüchtigte Kämmerlein mit "Eintritt verboten". Seine Frau wachte aber drei Tage lang bei ihm und zum Erstaunen aller, kam er durch. Sieben Monate lang lag er dann im Spital. Die Diagnose lautete: Querschnittlähmung! Arnold wollte den Ärzten nicht glauben, dass er nie mehr werde gehen können. Mit eisernem Willen schaffte er es, wieder auf den Beinen stehen zu können. Somit mussten die Ärzte ihre Diagnose ändern, wobei sie sich auf "Kreuzschlag" einigten. Unter unsäglichen Schmerzen versuchte er weiterhin alles, damit er nicht hilflos auf andere angewiesen war. Er brachte es zustande, aber die Schmerzen blieben. Noch heute tut jeder Schritt weh. Aber treu nach Arnolds Devise meint er dazu nur, man könne sich an alles gewöhnen. Zwei Jahre später war er soweit, dass er wieder versuchen konnte, eine Arbeit anzunehmen. Nachdem er vorher 26 Jahre lang bei der gleichen Baufirma tätig war, konnte man ihm dort selbstverständlich keine Arbeit zuweisen. Also schulte er sich um und verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit der Reparatur von Haushaltmaschinen in einer Fabrik in Zollikofen. Dort arbeitete er zu aller Zufriedenheit bis er 69 Jahre alt war. Pension erhält er keine, aber mit der AHV-Rente kann Arnold heute leben. Er streckt sich eben nach der Decke.

Noldis Hobby war - vor dem Unfall  - eindeutig der Radsport. Mit Leib und Seele war der dort dabei. Als Rennfahrer wollte er sich nicht verstanden wissen. Hauptsächlich hatten es ihm der Radtourismus und das Orientierungsfahren angetan. Ein ganzer Schrank voller Trophäen weist darauf hin, dass er einiges geleistet hat. Seine Talente lagen aber auch auf dem Gebiet des Organisierens. Bei zahlreichen Radsportereignissen, u.a. Weltmeisterschaften oder Tour-de-Suisse-Ankünften war er (im Baukomitee und Streckensicherung) wesentlich am guten Gelingen beteiligt. Dazu war er Leiter einer erfolgreichen Jugendgruppe, 25 Jahre lang im Vorstand des Radfahrervereins der Stadt Bern sowie 15 Jahre lang Redaktor des monatlichen Mitteilungsblattes. Durch seinen Sohn Peter kam er als Invalider dann zum Schach und zum ASV Gurten. Hier gefallen ihm besonders das kameradschaftliche Verhältnis und die gemütliche Atmosphäre. Hier versucht er aber auch, den Verlust seiner herzensguten und lebensfrohen Frau zu überwinden.

Ja, und wir Gürteler haben uns daran gewöhnt, dass Noldi jeden Dienstag wieder unter uns weilt. Hoffen wir, dass es nun so bleiben wird.

 

 

Otto Neuenschwander - In: Der Gurten-Läufer Nummer 3 1982